Dieser Beitrag orientiert kurz über Merkmale des Hochhauses und enthält zahlreiche Zitate prominenter Städtebauer und Humanwissenschaftler.
A. Unsere Städte haben Zuwanderungsdruck. Auch in Zürich werden für die nächsten 10 Jahre pro Jahr 10’000 Zuzüger vorausgesagt. Muss das so tatenlos hingenommen werden? Wem gehört die Stadt?
Dieser Zuwachs ist nur möglich, wenn noch freie oder schlecht genutzte Grundstücke baulich verdichtet werden - mittels Neubauten, Zusatzbauten oder Aufstockungen. Auch Verhandlungen mit Nachbargemeinden und die Umnutzung leer stehender Bürogebäude sind Optionen zur Entschärfung des Wohnungsmangels. Die Frage drängt sich auf, ob sich Hochhäuser zur Verdichtung eignen - wo und wieviel verdichtet werden soll?
Es verwundert nicht, dass auch Laien oft sagen, Grund und Boden sei knapp, deshalb müsse in die Höhe gebaut werden, zur besseren Nutzung der Grundstücke. Der Ruf lautet: Her mit Hochhäusern, Bauland sparen! Auf den ersten Blick ist das derart einleuchtend, dass Hochhäuser auch von Berufsverbänden, Politikern und Behörden als Mittel zur Verdichtung gefördert werden. Derzeit befinden wir uns in einem richtigen Hochhausfieber.
An einem Modell können wir zeigen, wie irreführend die Behauptung ist, mit Hochhäusern liesse sich mehr Grün schaffen:
Die Holzstäbe stellen ein Bauvolumen mit einer bestimmten Geschossfläche dar. Sie bleiben im folgenden immer gleich gross.
Beispiel: 1 Geschoss Bei eingeschossiger Bauweise ist das Grundstück voll überbaut. Die Verhältnis von Geschossfläche zur Grundstückfläche ist 1 : 1. Wir sprechen von einer Ausnützungsziffer von 1,0. (Wäre nur die Hälfte des Grundstückes eingeschossig überbaut, wäre die Aus- nützungsziffer 0.5. Restfläche im Modell). | |
Beispiel: 2 Geschosse Wieviel Freifläche gewinnen wir bei zweigeschossiger Bauweise?: Von der Grundstückfläche wird die Hälfte frei, also 50% (100%-50%). | |
Beispiel: 3 Geschosse Bei dreigeschossiger Bauweise werden 2/3 , das sind 66% der Grundstückfläche frei. Der Freiflächengewinn vom Sprung von 2 auf 3 Geschosse ist 16% (66% - 50%). | |
Beispiel: 4 Geschosse Bei 4 Geschossen ist die Freifläche 75%. Der Freiflächengewinn bei 4 an Stelle von 3 Geschossen beträgt noch 9% (75% - 66%). Siehe auch Video: https://vimeo.com/453054213 |
Bei weiterer Geschossanhäufung ist der Freiflächengewinn von 4 auf 5 Geschosse 5% (80% - 75%), von 5 auf 6 Geschosse 3% (83% - 80%). Vom Sprung um 4 Geschosse, von 6 auf ein Hochhaus mit 10 Geschossen, resultiert ein Freiflächengewinn von noch 7% (90%-83%)
Wir stellen fest:
Die Freiflächengewinne nehmen mit der Geschosszahl exponentiell ab.
Das heisst praktisch: Ab 4 bis 5 Geschossen werden die Freiflächengewinne durch Geschossanhäufung unerheblich. (Dasselbe kann auch mit dem Falten eines Papierblattes gezeigt werden.) Selbstverständlich kann durch weitere Geschosshäufung zusätzlich verdichtet werden (nicht allein baulich, sondern auch sozial, funktional, historisch), mit allen negativen Konsequenzen für die Menschen, ihre Freiräume und die Umwelt.
B. Der geringe Freiflächengewinn durch Geschossanhäufung ist nicht der einzige Grund, weshalb wir Hochhäuser marginalisieren und für den urbanen Flachbau mit 4 bis 5 Geschossen eintreten.
5 Punkte zu Hochhäusern:
1. Hochhäuser generieren keine erwähnenswerten Freiflächen und Grünräume. Sie eignen sich nur bei Ausnützungsziffern von weit über 2,0 für die Verdichtung, die unserer Kultur, unseren Vorstellungen von Zusammenleben, Wohnen und Arbeiten nicht entsprechen.
2. Ökologie und Nachhaltigkeit: Der ökologische Fussabdruck von Hochhäusern ist deutlich grösser als die technisch viel anspruchslosere Flachbauweise in «einfacher Intelligenz». Der Bedarf an grauer Energie und der Ausstoss von CO2 sind deutlich höher als im Flachbau. Der in Megastädten wie wie z.B. New York, Hongkong, Singapur, usf. mit Wolkenkratzern erzeugte Dichtestress ist nicht erstrebenswert, auch sind die damit verbundenen, enormen Umweltschädigungen (Gebäude, Verkehr, Infrastruktur) übermässig. Gebäude und das Bauen sind für die Umweltbelastung sehr relevant. Der Schweizer Gebäudepark ist mit etwa 50% des Primärenergiebedarfes und mit 27% am CO2-Ausstoss erheblich beteiligt.
3. Ökonomie.: Hochhäuser sind pro m2 Nutzfläche systembedingt wesentlich teurer (20% - 40%) - in der Planung, im Bau, Betrieb, Unterhalt bei Renovationen und beim Rückbau. Pro Person fallen mehr Fläche an (Statik, Aufzüge/Erschliessung, technische Versorgung, Brandschutz/Fluchtwege).
4. Städtebauliche Aspekte und Landschaft. Die schiere Grösse, Dominanz und Objekthaftigkeit von Hochhäusern verhindern wirtliche, umschlossene Räume, wie wir sie in der Altstadt auf Plätzen, Strassen und Gassen geniessen und als massstabsgerecht wahrnehmen.
Ihre in Zürich häufige und zufällige Ausbreitung («Stoppelfeld») - an karzinogen wuchernde Strukturen erinnernd - verunklären die Stadtstruktur, die Orientierung und speziell in Zürich die landschaftlichen Besonderheiten. Was die behördliche, für Hochhäuser vorgeschriebene Forderung nach guter Gestaltung mit «schöner» Fassadengestaltung bis heute bewirkt hat, ist real und in der Gesamtwirkung zu besichtigen. Es würde mit weiterer Anhäufung noch desaströser! Der Preis für die gute Aussicht ist die Beschattung der Nachbarschaft und negative Auswirkungen auf das städtische und örtliche Klima. Selbst in von Paris (Kernstadt: viermal mehr EW pro km2) sind Hochhäuser unerwünscht!
5. Gesellschaftliche und psychische Bedenken: Wohnhochhäuser isolieren die Menschen vom Boden, unter sich und zur Umgebung. Sie eignen sich nur für eine eingeschränkte zahlungskräftige und sicherheitsüberzeugte Benutzerschaft. Lebensgemeinschaften mit Kindern sind in Hochhäusern schlecht aufgehoben.
(sh. auch Artikel asaz: «Kinderfreundliches Bauen».) Hochhäuser werden von vielen Menschen oft als unmenschlich, zu dominant, bezugslos, drohend und unausweichlich wahrgenommen - im Gegensatz zum normalen Haus in der Hauszeile. Ein Historiker bezeichnete sie als städtebauliche Parasiten.
Anhang Zitate
Was sagen renommierte Städtebauer, Architekten und Humanwissenschaftler zu Hochhäusern? Eine kleine Auswahl:
Zitate ArchitektInnen
René Furrer, Prof. ETH
«Inzwischen ist es schwer nachvollziehbar, wie die Schweiz um 1950 vom „Hochhaus dermassen eingenommen war. Weil sich der Bautyp für Familienbedürfnisse überhaupt nicht eignet, war es eine Verirrung im grossen Stil. Obwohl das Auftürmen und Liftfahren Büroarbeitern und Ledigen zumutbar ist, schliesst es die Heranwachsenden aus. Im zarten Alter muss sich das Wohnen zum Aussenraum und dem Spielplatz hin schwellenlos fortsetzen.“1
Prof. Dr. V. Lampugnani:2
«Das Hochhaus hat immer fasziniert. Es war stets irrational, mit ganz wenigen Ausnahmen. Die meisten Hochhäuser sind nicht gebaut worden, weil man sie brauchte, sondern weil man sie wollte. Ich bin nicht grundsätzlich gegen Hochhäuser, aber es muss dafür eine städtebauliche Begründung geben. Ich beurteile deshalb die Entwicklung in Zürich skeptisch. Wo die Wirtschaft gerade ein Hochhaus will, wird in die Höhe gebaut. Das ist kein städtebauliches Konzept. ... Das Prinzip der Dichte wurde von der Bauspekulation gierig aufgenommen, pervertiert und bald diskreditiert, weil die erhöhte Ausnutzung der städtischen Grundstücke in den Dienst der Quantität und nicht der Qualität gestellt wurde. Nicht eine rein ökonomisch getriebene Dichte steht an.»
Jan Gehl, Stadtplaner
«Hochhäuser sind des faulen Architekten Antworten auf die Frage der Dichte.«
Prof. Stefan Kurath
„Hochhäuser werden weniger aus Gründen der städtischen Verdichtung, sondern vielmehr zu Prestigezwecken“ errichtet. Blick 22.7.2019
James Wines
„Menschen in Hochhäusern verlieren ihre Identität. Sie haben nichts darüber zu sagen, wer sie sind und wie sie sich von anderen unterscheiden. Sie gehen völlig in der Architektur unter und hinterlassen keinen Hinweis auf ihre Präsenz an den Fassaden.» (Interview Sabine von Fischer NZZ Twitter 26.1.2021)
Süddeutsche Zeitung
Hochhäuser bedeuten einen massiven Eingriff in das Stadtbild ... beeinträchtigte Sichtbeziehungen, Verschattung, Windturbulenzen am Boden, thermische Aufheizung, ständige Dominanz, wenig attraktive und alltagstaugliche Erdgeschosszonen mit Umfeld. Hochhäuser sind unwirtschaftlich, teuer in Herstellung und Unterhalt, was zum Beispiel auch heißt, "bezahlbarer" Wohnraum ist hier nicht realisierbar. Hochhäuser dienen zur Repräsentation und Zeichensetzung für eine kleine elitäre Gruppe, und sie stehen für eine "Moderne", die längst vergangen ist. Beim ständig wiederholten "Wachstumsdruck"-Argument ("wer keinen Platz hat, muss in die Höhe bauen") ist offensichtlich der Zusammenhang zwischen Baudichte auf dem Grundstück und der Siedlungsdichte immer noch nicht verstanden oder wird, auch in Fachkreisen, bewusst ignoriert: Hochhäuser generieren zwar eine sehr hohe Geschossfläche auf dem Grundstück (gut für Investoren ...), aber keineswegs eine höhere Siedlungsdichte im Quartier als beispielsweise eine übliche sechsgeschossige Blockbebauung denn die Bewohnerschaft braucht auch Flächen für Wohnfolgeeinrichtungen ....
Prof. Peter Schwehr Erfinder Holzhochhaus MODUL 17
„Ein Hochhaus ist eine teure Bauform, die kaum einen Beitrag zum kostengünstigen Woh nen leisten kann. Der Blick nach draussen mag vielleicht den Aufwand wert sein, aber nur dann, wenn man genug verdient und nicht andere Hochhäuser einem den Blick zustellen. Mehr Baumasse für Privilegierte also, aber keine Verdichtung.“
Dirk Brandt Suüddeutsche Zeitung
Eigentlich nur Nachteile. Hochhäuser bedeuten einen massiven Eingriff in das Stadtbild ...beeinträchtigte Sichtbeziehungen, Verschalung, Windturbulenzen am Boden, thermische Aufhetzung, ständige Dominanz, wenig attraktive und alltagstaugliche Erdgeschosszonen mit Umfeld ... Hochhäuser sind unwirtschaftlich, teuer in Herstellung und Unterhalt, was zum Beispiel auch heisst, «bezahlbarer» Wohnraum ist hier nicht realisierbar.
Hochhäuser dienen zur Repräsentation und Zeichensetzung für eine kleine elitäre Gruppe, und sie stehen für eine «Moderne», die längst vergangen ist.
Beim ständig wiederholten «Wachstumsdruck»-Argument («wer keinen Platz hat, muss in die Höhe bauen») ist offensichtlich der Zusammenhang zwischen Baudichte auf dem Grundstück und der Siedlungsdichte immer noch nicht verstanden oder wird, auch in Fachkreisen, bewusst ignoriert: Hochhäuser generieren zwar eine hohe Geschossfläche auf dem Grundstück (gut für Investoren ...), aber keineswegs eine höhere Siedlungsdichte im Quartier als beispielsweise eine sechsgeschossige Blockbebauung denn die Bewohnerschaft braucht auch Flächen für die Wohnfolgeeinrichtungen... In Berlin werden bewusst keine Hochhausareale ausgewiesen, um nicht «Erwartungs-Grundstücke» aufzuzeigen, die eine Spekulation um Grund und Boden weiter anheizen ...
Denkmalpfleger Mathias Pfeil spricht von «Investoren»-Architektur und sieht in Hochhäusern generell «städtebauliche Parasiten». ... Es geht dabei nicht nur um die Verschalung umliegender Quartiere, sondern auch um Schatten im übertragenen Sinne. Hochhäuser können gesellschaftlich trennend wirken: die da oben und wir hier unten. ... Die gewachsene Stadt wird zur Kulisse derer, die über sie hinweg sehen können.
Christopher Alexander
A Pattern Language
Hohe Gebäude haben keine eigentlichen Vorteile, ausser dass sie Banken und Grundeigen tümern Spekulationsgewinne verschaffen. Sie sind nicht billiger, sie sparen keinen Freiraum, sie zerstören das Stadtbild, sie zerstören das soziale Leben, sie erzeugen Kriminalität, sie erschweren das Leben für Kinder, sie haben hohe Betriebskosten, sie ruinieren die Freiflächen in ihrer Nähe, sie beeinträchtigen Licht, Luft und Aussicht. Aber abgesehen von allen hinweisen darauf, dass sie nicht sehr vernünftig sind, zeigen empirische belege, dass sie tatsächlich Geist und Gefühl von Menschen schädigen können. ... Fanning weist auf eine direkte Korrelation zwischen dem Vorkommen psychischer Störungen und der Höhenlage von Wohnungen. ... Das Leben im Hochhaus entfernt die Leute vom Boden und vom zufälligen alltäglichen Gesellschaftsleben, das auf den Gehsteigen und Strassen, in den Gärten und Veranden vor sich geht. Sie sind in ihren Wohnungen allein. Der Entschluss, hinaus in die Öffentlichkeit zu gehen, wird zu einer bewussten und schwierigen Angelegenheit, und wenn es keinen besonderen Anlass gibt, hinunterzugehen, bleibt man lieber zu Hause. Die zwangsläufige Isolierung führt dann zu Zusammenbrüchen. (Diverse Hinweise: u.a. Alexander, A Pattern Language: ««Höchstens 4 Geschosse». Dr. D. Cappon: «Mental Health and the High Rise». Jeanne Morville: Borns Brug Af Friarealer ... Dänemark 1969)
Zitate PsychologInnen, ÄrztInnen, SchriftstellerInnen
Remo Largo, Kinderarzt
«Wir bauen so, dass man die Kinder selbst dann nicht einfach rauslassen kann, wenn man das möchte. Oder so, dass sie gar keine Lust haben, rauszugehen. Bei den Spielplätzen ist das Wichtigste, dass sie versicherungstechnisch ungefährlich sind. Kürzlich war ich auf einem mit zwei Enkeln: Nach zwanzig Minuten hatten sie alles durch.»
Marco Hüttenmoser
Ausgangspunkt unserer Überlegungen bildet die wissenschaftlich belegte Erkenntnis, dass es für das Aufwachsen der Kinder äusserst wichtig ist, dass sie sich in unmittelbarer Umgebung der Wohnung frei bewegen und mit andern Kindern spielen können. Dabei ist es nicht nur entscheidend, dass in unmittelbarer Nähe bespielbarer Raum besteht, sondern dass dieser Raum auch von jüngeren Kindern auch selbstständig erreicht werden kann und sie von dort aus auch selbstständig in die Wohnung zurückkehren können. Das Stichwort „Erreichbarkeit“ wird in der Literatur zwar immer wieder erwähnt, aber nie präzisiert. Diese Frage ist wesentlich architektonischer Art und steht im Zentrum des vorliegenden Beitrages. (in: «Kinderfreundlich verdichtet bauen».)
Rilke Rambow Architekturpsychologe
Lange Zeit ... wurden Hochhäuser als zum Wohnen ungeeignet erachtet. Denn Wohnen im Hochhaus kommt mir einer Reihe von Nachteilen daher, das ist bis heute so. ... Wenn man zum Beispiel oberhalb des sechsten oder siebten Stockwerks wohnt, dann hat man keinen direkten Bezug mehr zur untersten Ebene. Dann kann man etwa seine Kinder nicht mehr unten spielen lassen. Problematisch kann auch die Anzahl von Wohnungen sein, die an einem Erschliessungsstrang hängen und nur über den Aufzug erreichbar sind. Das führt schnell zu Anonymität, geringer sozialer Kontrolle, zu Angstträumen und Verwahrlosung. ... Im sozialen Wohnbau würde ich weiterhin davon abraten, zu grossen Einheiten zurückzukehren. ... Die Nachteile extremer Verdichtung mit hohem finanziellem Aufwand kompensiert werden. ... So bekommt man ein Bild der Stadt, das wenig mit sozialem Austausch zu tun hat. ... Heute prallen aber oft zwei Vorstellungen von Stadt aufeinander: auf der einen Seite die europäische, fussgängerorientierte Stadt mit Boulevards und eher niedrigen Gebäuden, auf der anderen Seite die amerikanische Stadt, die in die Höhe und in die Breite wächst. ... Hochhäuser können zu einer Verödung führen und das Leben aus der Stadt förmlich absaugen.
Robert Gifford3 «Die Beweise insgesamt lassen auf die allgemeine Schlussfolgerung schließen, dass hohe Anstiege weniger zufriedenstellend sind als andere Wohnformen. Dies deutet insbesondere darauf hin, dass die Bewohner in einem Hochhaus zufriedener sein werden, wenn sie keine Eltern von kleinen Kindern sind, nicht lange bleiben wollen und sozial unabhängig sind. ... Hochhäuser eignen sich, da sind sich Psychologen und Kinderärzte weitgehend einig, schlecht für Familien oder Wohngemeinschaften mit Kindern. ... Die Literatur enthält mehrere Studien ... Die Unzufriedenheit der Eltern über die Eignung von Hochhäusern für ihre Kinder ist hoch. ... Kinder in Hochhäusern können bestimmte praktische Fähigkeiten nach japanischen Studien langsamer entwickeln.» ... Vor langer Zeit sagte Jephcott (1971) : «Praktisch niemand bestreitet, dass diese Form des Hauses für die Familie mit kleinen Kindern unbefriedigend ist.»
Antje Flade Die Baupsychologin Antje Flade verweist hinsichtlich von Kindern auf die «Verhaltensund Bewegungseinschränkungen und das mangelhafte Anregungspotential in Hochhäusern, was häufiger zu motorischen Defiziten, Schulversagen, psychosozialen Auffälligkeiten und Störungen führe».4
Peter G. Richter Der Architekturpsychologe Peter G. Richter stellt fest, dass Hochhausbewohner «häufiger mit dem Auto wegfahren» und beklagt funktionale Nachteile, wie fehlende Terrassen und Balkone, die, wenn vorhanden, zu klein seien. (Wegen des rauhen Mikroklimas eignen sie sich ohne Schutzmassnahmen ohnehin nicht für den längeren Aufenthalt.) Die grosse Distanz zum Boden wirke sich nachteilig aus, der Aufenthalt in der engen Liftkabine sei stressig und könne Angst auslösen.5 Das Wohnen im Hochhaus sei auch abhängig von der Lebensphase, und nicht geeignet für die «Familienphase» mit Kindern.
Nur 10 bis 15% würden gerne in Hochhäusern wohnen. Richter 6 fordert zudem massvolle Dichte. Zuviel Enge (crowding) würde zur Vereinzelung und zur Isolation führen. Es sei wichtig, überschaubare Gruppen zu schaffen, wie solche auch Johannes Meyer (sh. w.u.) fordert.7 Wer sich verantwortungsvoll mit der Erziehung von Kindern befasst, wird das Wohnhochhaus nicht als geeignetes Ambiente empfehlen. Das bestätigte auch Georg Precht em. Dozent am ETH-Wohnforum. Dasselbe gilt auch im Grossen für eine Stadt, die mehr überschaubare Zentren braucht, in welchen sich die Leute noch grüssen und miteinander kommunizieren. Ist es ein Zufall,dass Tiefgaragen in vielen Kriminalfilmen eine wichtige Rolle spielen und Hochhäuser in der Literatur negativ konnotiert sind?
Michel Houellebecq Die soziale Isolation der Bewohnerschaft in Hochhäusern wurde auch in Romanen thematisiert, wie z.B. im Buch „Serotonin“ des Schriftstellers Michel Houellebecq. Er gibt treffend die seelische Verfassung wider, welche die Person veranlasst, eine Wohnung in einem Hochhaus zu suchen:
«Ich musste weiter hinunter, noch weiter nach Süd musste jede Hoffnung auf ein mögliches Leben weit von mir weisen, sonst würde ich nicht zurande kommen, und in dieser geistigen Verfassung begann ich die Hochhäuser zu besichtigen, die sich von der Porte de Choisy bis zur Porte d'Ivry erstreckten. Ich musste nach der Leere suchen, nach dem Unbeschriebenen, Blanken; die Umgebung entsprach dieser Suche in nahezu idealer Weise, in einem dieser Hochhäuser zu wohnen, hiess, im Nichts zu wohnen, nicht wirklich im Nichts, sagen wir, in der unmittelbaren Nachbarschaft desNichts. ...» (Michel Houellebecq, Serotonin, Du Mont, 2019 pg. 319 ff.)
1 «Wohnungsbau, die Schweiz im 20 Jh.», René Furer
2 «Das Hochhaus war stets irrational.» TAZ 11.11.2019.
3 Robert Gifford, Professor für Psychologie und Umweltwissenschaften an der Universität von Victoria, in: Environmental Psychology, John Wiley&Sons 2016 (eigene Übersetzung).
4 Antje Flade, «Architektur psychologisch betrachtet» und «Wohnen psychologisch betrachtet.»
5 sh. auch NZZ 17.6.2016 Helga Rietz, «Das Herz des Hochhauses Genial, aber ineffizient»
6 «Eindrückliche Aussicht aber eben auch Nachteile» Baublatt, 6.9.2011
7 Ein Beispiel illustriert in besonders hohem Masse, was Meyer empfiehlt: Überbauung von Alvaro Siza in Den Haag im Stadtteil Schilderswijk Wohnsiedlung 1983-88). Im Hochhaus «Defensible Space» von Oscar Newman wird Kriminalität in direkten Zusammenhang mit der zunehmenden Geschosszahl gebracht. Je mehr Klingelknöpfe, desto mehr Anonymität.
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